Der Westschweizer Raphaël Domjan machte sich einen Namen als Ökoabenteurer zu Wasser und in der Luft. Sein jüngstes Projekt ist ein energetisches Vorzeigehaus – es produziert mehr Energie, als es verbraucht.
«Ich habe mich verändert», erklärt Raphaël Domjan, der Mann, der gegenwärtig mit seinem Projekt SolarStratos für Aufsehen sorgt. Sein Plan: mit einem Solarflugzeug in die Stratosphäre vorzustossen – eine Pionierleistung. Verändert hat sich Domjan, was sein Bewusstsein für Klima und Umweltschutz angeht. Vor zehn Jahren hätte er sich nicht viel dabei gedacht, für einen halbstündigen Vortrag etwa nach Brasilien zu fliegen und danach gleich wieder zurück. Über sein Leben als Ökoabenteurer zu referieren, ist schliesslich sein Beruf. Davon lebt er, zumindest teilweise.
Doch inzwischen steigt der Pionier nicht mehr gedankenlos ins Flugzeug. Ihm ist bewusst geworden, wie dringend der Kampf gegen die Klimakrise ist. «Ich sehe mich heute als Umweltaktivist.» Aber, so betont er, als ein optimistischer. «Es gibt Lösungen für unsere drängenden Probleme, wir müssen sie bloss nutzen!»
Genau deshalb sind wir hier in einem friedlichen Wohnquartier in Cortaillod (NE) am Neuenburgersee. Hier hat sich Raphaël Domjan ein Plusenergiehaus gebaut. «Ich wollte ein Haus, das so wenig Energie wie möglich verbraucht und so viel wie möglich produziert», erklärt der Hausherr im Technikraum im Untergeschoss des Gebäudes. Hier laufen alle Fäden zusammen.
Um die Energiebilanz zu optimieren, wurde eine breite Palette von Möglichkeiten genutzt. Sie reicht von den besten Isolationsmaterialien und einer geothermischen Wärmepumpe über eine thermische Solaranlage und Photovoltaikmodule bis zu verschiedenen Speichersystemen für Strom und Wärme. Er habe sein Ziel unter Einsatz von etablierten und auf dem Markt erhältlichen Technologien erreicht, betont Domjan. Sein Haus produziere dreimal so viel Energie, wie seine Bewohnerinnen und Bewohner verbrauchen.
Für Solarenergie begeistert hat sich der 51-Jährige zum ersten Mal an der Expo.02 in Murten. Dort wurden die Besucherinnen und Besucher umweltfreundlich zur Hauptattraktion gefahren, dem «Monolith», einem Stahlwürfel mitten im See. Die solarbetriebenen Boote brachten den tatendurstigen jungen Mann zum Träumen, und er sagte sich: «Es gibt doch noch Abenteuer zu bestehen für einen wie mich!» Seit ihm sein Grossvater einst die Geschichten von Jules Verne vorgelesen hatte, wollte Raphaël Domjan Entdecker werden. Doch mit dem Erwachsenwerden wuchs seine Überzeugung, alle grossen Taten seien bereits vollbracht. Bei der Berufswahl griff er denn auch nicht nach den Sternen, sondern machte eine Lehre als Motorradmechaniker. Später besuchte er die Ingenieurschule Neuenburg und liess sich zum Rettungssanitäter ausbilden. Sein Traum damals: als Bergführer und Helikopterpilot zum Bergretter zu werden. Als Hobby unternahm er waghalsige Expeditionen, zum Beispiel in Gletscherhöhlen in Island.
Mit dem Potenzial der Solarenergie vor Augen begann er grösser zu denken und stellte das Projekt PlanetSolar auf die Beine. In den Jahren 2010 bis 2012 gelang Domjan und seinem Team die erste Weltumrundung mit einem Solarschiff – aus dem Möchtegernentdecker war ein professioneller Abenteurer geworden, mit Sponsoren, Medienauftritten und allem Drum und Dran. «PlanetSolar war ein Kommunikationsinstrument, ich will etwas für den Schutz der Umwelt tun, das ist der Kampf meines Lebens», sagt Raphaël Domjan.
Zurück zum Plusenergiehaus in Cortaillod. Eigentlich hat es Raphaël Domjan für sich selbst gebaut, aber aus familiären Gründen konnte er nicht einziehen und hat die beiden Wohnungen vermietet. Das herausragendste Merkmal des Gebäudes ist seine asymmetrische Dachform – gegen Norden kurz und steil, gegen Süden ausladend, weniger geneigt und mit einer Loggia versehen, einem im Dach eingelassenen Balkon. «Wir haben das Haus um die Solarmodule herum entworfen», erklärt Raphaël Domjan. Die Form des Dachs dient der optimalen Besonnung der 176 Quadratmeter verbauten Photovoltaikzellen und der 2 Quadratmeter grossen thermischen Solaranlage. So eine Konstruktion mag energetisch sinnvoll sein, doch die Bauvorschriften in Cortaillod verlangen symmetrische Dächer – Domjan war auf eine Ausnahmebewilligung angewiesen.
Nicht nur die Vorschriften, auch das Angebot von Haushaltsgeräten kann beim ökologisch bewussten Bauen ein Hindernis darstellen. So werden zum Beispiel die allermeisten Geschirrspüler und Waschmaschinen mit kaltem Wasser versorgt, das dann aufgeheizt wird. Pure Energieverschwendung, dachte sich der Ökoabenteurer, wenn man mit seiner eigenen Solaranlage doch bereits warmes Wasser produziert. Nach langwierigen Recherchen stiess er schliesslich auf Geräte, die seinen Ansprüchen gerecht wurden. «Wir sind zum Teil ans Limit gegangen», resümiert Raphaël Domjan seine Vorgehensweise, «doch nun haben wir ein Haus, das ziemlich genau dem entspricht, wie Häuser meiner Meinung nach in Zukunft funktionieren sollten.»
Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man mit dem Ökoabenteurer über sein jüngstes Projekt ins Gespräch kommt, den Bau seines Plusenergiehauses. Doch wie steht es eigentlich um SolarStratos, Raphaël Domjans grosses Abenteuer? «Wir kommen voran, aber es ist schwierig, ein Solarflugzeug für eine derartige Herausforderung zu bauen.» Eine erste Etappe auf dem Weg in die Stratosphäre soll 2024 erreicht sein – der Aufstieg bis auf 10 Kilometer Höhe. Die anvisierten 20 Kilometer über der Erde müssen noch etwas warten. Doch so oder so will Domjan nicht in erster Linie einen Rekord aufstellen. Es gehe ihm vor allem darum, andere Menschen zu begeistern – vor allem junge. «Ich will ihnen zeigen, dass auch heute noch aussergewöhnliche Leistungen und Abenteuer möglich sind. Wir müssen sie einfach auf nachhaltige Art und Weise vollbringen.»
Raphaël Domjan hat sein Haus «Raroia» getauft. So heisst das Atoll, wo Thor Heyerdal 1947 seine Pazifiküberquerung auf dem Balsafloss Kon-Tiki zu Ende führte. Von einer Reise an diesen Ort hat Domjan Sand mitgebracht und davon ein wenig ins Fundament seines 2022 fertiggestellten Plusenergiehauses eingestreut.
Das Haus zeichnet sich durch folgende Fakten aus:
Es stammt aus den 1950erJahren und verfügte lediglich über 60 Quadratmeter Wohnfläche. Durch den geschickten Um- und Ausbau wurde die Fläche auf heute 220 Quadratmeter vervielfacht. Um Heizenergie zu sparen, wurde das Haus ummantelt und das Dach neu gebaut, doch rund 70 % der ursprünglichen Substanz sind erhalten geblieben.
Auf dem Dach befinden sich 75 Photovoltaikmodule und eine 2 Quadratmeter grosse Solaranlage zur Warmwasserproduktion. Die vier geothermischen Sonden für die Wärmepumpe reichen 60 Meter in die Tiefe.
Die Photovoltaikanlage produziert 25'000 kWh Strom, die thermische Anlage 4'000 kWh Wärme (prognostizierte Werte).
In der Holz- und Betonstruktur des Hauses sind 20 Tonnen CO₂ gespeichert. Das im Beton eingelagerte CO2 wurde in einer Biogasanlage abgefangen und anschliessend in einer speziellen Mineralisierungstechnologie in Granulat aus Abbruchbeton gebunden. So wird das Treibhausgas dauerhaft aus der Atmosphäre entfernt.
Verglichen mit einem konventionellen Haus hat das Plusenergiehaus lediglich 10 bis 15 % mehr gekostet. Die Förderbeiträge miteingerechnet, werden sich diese Investitionen gemäss Domjan bei den gegenwärtigen Energiepreisen in weniger als fünf Jahren amortisiert haben.