Chiara und Alberto Conelli liessen ihr rund 100-jähriges Haus in Giubiasco TI nach allen Regeln der Kunst energetisch modernisieren. Wegweiser dafür war ein GEAK Plus – eine Expertise, die mehrere Varianten skizziert. Das Paar entschied sich für die Toplösung: das Label «Minergie-A-Eco».
Rundgang durch das umfassend sanierte Haus von Familie Conelli im Tessin.
Alberto Conelli sitzt an einem Steintisch im Schatten eines mächtigen Kastanienbaums. Vor ihm die Weite der Magadinoebene und sein Zuhause, in dem er mit seiner Frau Chiara und den drei Kindern lebt. Das Haus liegt wie ein terrakottafarbener Riegel am Ortsrand von Giubiasco. Aus der Ferne scheint es sich von den umliegenden Häusern kaum zu unterscheiden. Doch der Blick täuscht: Das rund 100 Jahre alte Bauwerk wurde vor drei Jahren umfassend energetisch saniert. Hinter der unauffälligen Fassade kommt modernste Technik zum Einsatz.
Die 280 Quadratmeter grossen Dachschrägen fassen eine integrierte Photovoltaikanlage. Im steinernen Anbau ist eine Wärmepumpe untergebracht. Die mächtigen Rundsteine der Mauern liegen hinter einer neuen Fassade verborgen. In der 15 Zentimeter dicken Dämmung sind die Rohre und Kabel der neuen Belüftung verstaut, im Estrich die Belüftungstechnik. Im Carport steht ein Elektroauto, das seine Kraft aus dem selbst produzierten Strom schöpft – vorzugsweise dann, wenn der Strom vom Dach in Strömen fliesst. «Eine Automatik regelt das», sagt Alberto Conelli.
Das Paar hatte die Immobilie, in der es mittlerweile lebt, schon länger ins Auge gefasst. Doch das zugehörige Grundstück war riesig – und damit auch der Verkaufspreis. Erst als Albertos Bruder Gian Paolo Interesse zeigte, die grosse Summe mitzustemmen, kam es zum Handschlag. Die Brüder teilten die Parzelle 2017 auf. Gian Paolo lebt nun mit seiner Familie auf einem Teil des Grundstücks im neu gebauten Haus, Alberto im alten Haus. Die Power der Photovoltaikanlage reicht im Sommer für beide Häuser. In der Nacht und im Winter kauft Alberto Conelli Strom zu und gibt diesen über einen Stromverbund an seinen Bruder weiter.
Zuerst war das Glück des Paares so hoch wie die umliegenden Hügelzüge. Doch zwei Jahre nach dem Umzug ins neue Eigenheim folgte die Ernüchterung. Das Dach leckte. Die Elektroheizung, welche die Wohnräume warmhalten sollte, erwies sich als Stromfresser. Rund 4000 Franken verbrauchte sie im ersten Winter, auch wenn das Paar den kleinen Pelletofen einheizte, um das Haus warmzuhalten. «Wir standen also vor der Frage, was zu tun ist», sagt Alberto Conelli. «Wir hatten keine Idee. Deshalb beschlossen meine Frau und ich: Wir holen uns Hilfe.»
Rat fanden sie bei Massimo Mobiglia, der damals noch selbstständiger Architekt war und als GEAK-Experte arbeitet. Der Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK) deklariert den energetischen Zustand von Gebäuden. Den Ausweis dürfen einzig zertifizierte Fachpersonen wie Massimo Mobiglia ausstellen. Ein GEAK Plus beinhaltet zusätzliche Vorschläge für die energetische Erneuerung. «Er zeigt den Besitzerinnen und Besitzern auf, welche Massnahmen sie treffen können, um den Zustand ihrer Immobilie zu verbessern», sagt Massimo Mobiglia.
«Wir hatten nun die Gelegenheit, dem Haus eine gute Zukunft zu geben. Diese wollten wir nicht verpassen», sagt Alberto Conelli. Um es richtig anzugehen, liessen sich er und seine Frau von Massimo Mobiglia einen GEAK Plus erstellen. Darin skizzierte er folgende drei Szenarien:
Die Besitzer schaffen sich einzig eine neue Wärmepumpe an. «Dann hätte es aber ein grosses und teures Modell sein müssen, weil die Hauswände und das Dach nicht gedämmt und die Fenster mangelhaft isoliert waren», sagt Alberto Conelli. Dies kam also nicht infrage.
Die zweite Variante: Eine kleinere Wärmepumpe und parallel dazu dem Haus einen thermischen Mantel mit neuen, dreifach verglasten Fenstern verpassen. «Das schien uns schon gangbarer, zumal dabei bereits die ersten Fördergelder geflossen wären», erzählt der Hauseigentümer weiter.
Schliesslich die dritte Variante: Eine Lösung mit optimaler Isolation des Mantels, neuen Fenstern, einer Wärmepumpe und einer integrierten Photovoltaikanlage auf dem Dach, das ohnehin ersetzt werden musste. Mit dem Ziel: Label «Minergie-A-Eco».
«Wir mussten zwar genau rechnen, denn mit so grossen Investitionen hatten wir nach dem Kauf nicht gerechnet», erklärt das Paar. Doch am Schluss entschied es sich für die dritte Variante. «Die im GEAK-Bericht skizzierten Eingriffe machten allesamt Sinn, wir hätten sie auch etappenweise umsetzen können, doch das wollten wir nicht.» Ein Argument, das wesentlich zu ihrer Entscheidungsfindung beitrug: Mit dem angepeilten Label multiplizierten sich die Fördergelder von Kanton und Bund. Fast ein Drittel der Sanierungskosten von 350 000 Franken floss dadurch zurück auf das Familienkonto. Der Rest dürfte in etwa 15 Jahren amortisiert sein.
Also liessen die Conellis Bagger und Handwerker auffahren, überliessen Architekt Massimo Mobiglia die Bauleitung – und zügelten mitten in der Corona-Misere für ein halbes Jahr zu Nachbarn, bevor sie Anfang 2021 ins modernisierte Haus zurückkehren konnten. Die Familie ist rundum zufrieden. Das Haus bleibt im Sommer angenehm kühl und lässt sich weit verträglicher wärmen als im ersten Winter. «In Minergie-Häusern ist die Belüftung automatisch geregelt», sagt der Hauseigentümer. «Das ist prima und hält die Temperaturen auf perfektem Niveau. Doch wir funken dem System manchmal etwas zu sehr dazwischen. Denn wir sind Ticinesi und lieben die Kultur der offenen Türen und Fenster.»
Mehr als 55 000 Gebäude sind schweizweit nach einem der Minergie-Standards zertifiziert. Die Labels vereinfachen die Planung für klimaschonende Gebäude und liefern konkrete Anforderungen und Anleitungen für Neubauten und energetische Sanierungen. Drei Standards sind darin eingeschlossen: Minergie ist der Basisstandard – ein Garant für eine gut gedämmte Gebäudehülle und eine Lufterneuerung durch Komfortlüftung. Minergie-P strebt zusätzlich einen noch tieferen Energieverbrauch an. Minergie-A definiert das Null- respektive Plus-Energiehaus. Die Zusatzzertifizierung «Eco» ist bei allen Minergie-Standards möglich und zielt auf gesundheitliche und bauökologische Aspekte. Mehr Informationen: MINERGIE.